Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat in einer Werte-Studie gefragt, wie die Menschen in Deutschland leben möchten und wohin sich die Gesellschaft in ihren Augen entwickelt. Das Ergebnis fällt widersprüchlich aus: Einerseits wünschen sich die Meisten eine solidarischere und nachhaltigere Gesellschaft. Andererseits glauben sie nicht, dass die anderen das auch wollen und befürchten die Entwicklung hin zu einer von sozialer Kälte und zerstörerischem Materialismus geprägten Ellenbogengesellschaft.
Woher kommt diese Diskrepanz und wohin führt sie? Erweitert um den Kontext der globalen Entwicklungen zeichnen sich Wege ab, die verschiedener nicht sein könnten. Etwa ein europäischer, bei dem sich die Gesellschaften angesichts der Pandemie und anderer globaler Herausforderungen auf ihre Gemeinsamkeiten, aber auch auf die Kraft von Vielfalt und Unterschied besinnen und das Projekt einer humanistisch geprägten Aufklärung weiterentwickeln.
Werte wie Freiheit, Gleichheit, Bildung und Toleranz bestimmten dann die Entwicklung und „Listen to the science!“ wäre im Rahmen einer vernunft- und wissensbasierten Zukunftspolitik Staatsräson. Oder wir folgen dem heute krisenhaften Weg der USA: Die Gesellschaft zerfällt in unversöhnliche Lager, populistisch geschürte Ressentiments und Feindbilder bestimmen den Diskurs, Faktenverleugnung und Verschwörungsdenken werden salonfähig, die Ungleichheit wächst und Themen wie Gemeinwohl oder Umwelt fallen hintenrunter. Vorstellbar ist aber auch ein Gesellschaftssystem, in dem unter Berufung auf ökologische und ökonomische Zwänge ein „soziales Bonitätssystem“ wie im heutigen China eingeführt wird. Ein Punktesystem, das mit moderner KI-gestützte Überwachungstechnologie Wohl- und Fehlverhalten sanktioniert und ein Werteregime errichtet, das im Namen des Gemeinwohls Persönlichkeitsrechte abschafft.
All das sind grobgezeichnete, aber gleichwohl denkbare Szenarien möglicher Zukünfte. Es lohnt sich, sie weiter auszumalen – oder Gegenentwürfe zu zeichnen. Werfen wir das Kopfkino an und leuchten aus, was vor uns liegt, in Utopien, Dystopien und allem was dazwischenliegt. Denn unsere Zukunft ist es wert.