Die Maschine – Der Steuerzahler von morgen

 

Constanze Kurz ist promovierte Informatikerin. Als Journalistin für netzpolitik.org und für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Sachbuchautorin beschäftigt sie sich mit den Einflüssen von Technologie auf das gesellschaftliche Leben und den Datenschutz. Constanze Kurz ist ehrenamtliche Sprecherin des Chaos Computer Clubs und Expertin für Themen der Digitalisierung und der Maker- und Hacking-Community. Sie ist Jury-Mitglied beim zweiten Foresight Filmfestival und wird am Festivalabend (30. Juni 2016, Steintor Varieté in Halle), gemeinsam mit Dr. Stefan Hellfeld an dem einleitenden Blitzgespräch in der Themenkategorie „Die Zukunft ist Open Space“ teilnehmen.

Science2public sprach mit Constanze Kurz über die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt, Datenschutz als Kaufargument zukünftiger Konsumenten, ein neues Verständnis für Informatik in den Schulen und die bedrohten Ideale der Maker-Szene.

In ihrem Buch „Arbeitsfrei – Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen“ (Riemann Verlag, 2013) untersuchen Sie moderne Arbeitsverhältnisse. Wie weit sind wir von einer arbeitsfreien Welt voller persönlicher Selbstverwirklichung entfernt?

Constanze Kurz: Zunächst einmal wird es stets Arbeitsbereiche geben, die vom Menschen erledigt werden. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass nach heutigem Entwicklungsstand der Technik in der westlichen Welt Maschinen zwischen 45 und 55 Prozent der Arbeit zukünftig übernehmen könnten. Hier muss überlegt werden, welche Veränderungen dies in einer Gesellschaft bewirkt.

Welche Folgen hat dies für den Arbeitsmarkt?

Kurz: Interessant ist die Frage, was mit Menschen geschieht, deren Tätigkeit man plötzlich in großer Zahl nicht mehr benötigt. Was passiert zum Beispiel mit den knapp 900.000 Menschen, die beruflich ein Fahrzeug führen, wenn automatisiertes Fahren zum Standard in der Wirtschaft wird? Man könnte in die Vergangenheit schauen und behaupten, dass es solche technischen Revolutionen schon immer gab, ohne dass die Gesellschaft kollabierte, nur geschehen sie heutzutage sehr viel dynamischer. In Speditionsfirmen beispielsweise werden die Lastwagen alle drei bis fünf Jahre ersetzt. Die Auswirkungen neuer Technik auf die Arbeit werden hier sehr rasant verlaufen. Die Regierung muss hierauf mit einem veränderten Steuer- und Sozialsystem reagieren.

Was muss sich am Steuer- und Sozialsystem ändern?

Kurz: Die Nutzung von Technologie in der Wirtschaft führt zu einem Effizienzgewinn und dieser generiert einen finanziellen Gewinn. Noch ist aber offen, wie hoch die Automatisierungsdividende sein wird und wie die daraus entstehenden finanziellen Mittel verteilt werden. Entscheidend ist daher die Frage, wie man in Zukunft Arbeit besteuert, wenn die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts von Maschinen erarbeitet wird. In unserer solidarisch organisierten Welt bedarf es einer Besteuerung von Maschinen und von nicht-menschlicher Arbeit, um das Sozialsystem zukünftig finanziell zu unterstützen. Diese Fragen sind schon heute brisant und müssen debattiert werden.

Welchen Einfluss werden Maschinen auf das soziale Leben haben?

Kurz: Intelligente Maschinen halten immer mehr Einzug in das private Leben, von Autos bis hin zu Spielzeug, die Daten erfassen und diese analysieren. Dies wird in Zukunft großen Einfluss auf das Konsumentenverhalten haben. Zu vermuten ist, dass sich einige Kunden bewusst für smarte Produkte entscheiden, weil diese sicher mit ihren Daten umgehen, während andere Kunden sich  für vergleichbare Produkte entscheiden, die billiger sind, dafür aber weniger Datenschutz bieten.

Der Datenschutz wird damit zum Faktor für Kaufentscheidungen?

Kurz: Generell kommt es darauf an, wie viele Menschen sich für Datenschutz überhaupt interessieren werden. Ein Grund für Kaufentscheidungen könnte dann sein, dass Datenschutz eine wichtige Rolle beim Konsumenten spielt, so wie es heute schon Menschen gibt, für die eine nachhaltige Produktion von Nahrungsmitteln ein wichtiger Kauffaktor ist. Ein weiterer Grund könnte das Einkommen sein. Eine hohe IT-Sicherheit könnten den Preis für technische Produkte steigern. Aus dieser Sicht muss man sich in Zukunft Privatsphäre auch finanziell leisten können. Hier wird das Verhalten von Konzernen wichtig sein und die Frage, inwieweit sie Sicherheitsstandards für alle  Nutzer gleichermaßen initiieren.

In Ihren Artikeln warnen Sie vor dem Verlust der Privatsphäre durch eine wirtschaftlich motivierte Datenspeicherung. Welche Form der Verantwortung ist von Nutzern gefragt?

Kurz: Es ist heute vor allem auch Technikkompetenz gefragt. Wenn wir im beruflichen und im privaten Bereich mit technischen Geräten umgehen, haben wir eine Verantwortung für deren Nutzung. Wir sollten daher zu einem gewissen Grad die Funktionsweise sowohl der Hardware als auch der Software verstehen, um verantwortlich mit den Daten umzugehen, welche in die technischen System durch uns gespeist werden. Gerade im Nachgang der Snowden-Veröffentlichungen ist die Sensibilität und die Suche nach Möglichkeiten für den Schutz von persönlichen Daten gewachsen. Manchmal übernehmen Konzerne den Datenschutz für den Nutzer, wie jüngst das Unternehmen Whatsapp, das seine Kommunikations-App verschlüsselte. Hier scheint die Industrie sensibler zu sein als der Staat, der immer noch das Argument der Notwendigkeit von Überwachung nutzt, um an Daten zu kommen, ohne fundiert beweisen zu können, dass erhöhten Überwachungsmaßnahmen auch zu einer erhöhten Sicherheit führen. Die Verantwortung liegt daher in den Fragen: Welche Dienste benutze ich? Wie gehen diese mit meinen Daten um? Und inwieweit muss der Gesetzgeber den Datenschutz unterstützen?

Was braucht es, um die gestiegene Sensibilisierung weiter zu fördern?

Kurz: Angesichts einer technisierten Zukunft, in der Menschen immer stärker mit Maschinen arbeiten oder sogar durch sie ersetzt werden, müssen Technik und Informatik als Unterrichtsthemen einen höheren Stellenwert erhalten. Andererseits ist es auch ein Allgemeinplatz zu sagen, wir müssen jetzt mehr in Bildung investieren. Denn es bleibt die Frage, was man überhaupt in Schulen vermitteln will. Heute geht es noch sehr viel um Faktenwissen und weniger darum, wie man sich Wissen in Zukunft aneignet, filtert und einschätzt. Es bedarf eines experimentellen Umgangs mit der Materie. Pädagogen wissen bereits um diese Situation.

Welche Form der Vermittlung wäre sinnvoll?

Kurz: In Groß Britannien beispielsweise existiert das Projekt BBC micro:bit. Dort bekommen alle Schülerinnen und Schüler kostenlos eine Platine. Diese kleinen Computer können sie selbständig programmieren und erlernen damit Programmiersprachen. Dies bedeutet nicht, dass alle Kinder später auch Programmierer werden, doch sie erhalten ein gutes Verständnis für informatische Probleme und somit auch für die technische Welt, die sie umgibt. Dieses Projekt ist sehr günstig und funktioniert dort landesweit. In Deutschland sehe ich keine politische oder wirtschaftliche Koalition, die solch Projekte auch an hiesigen Schulen initiieren will, obwohl gleichzeitig ein Mangel an Informatikern beklagt wird. Für mich ist das paradox.

Als eine der Sprecherinnen des Chaos Computer Clubs beobachten sie die Maker-Szene. Welche Entwicklungen nehmen Sie wahr?

Kurz: Aus meiner Sicht ist die Maker-Szene zunehmend bedroht durch staatliche Reglementierung von Software. Ein Beispiel ist die EU-Richtlinie zur Funkabschottung. Nach dieser Richtlinie muss neue Software entsprechend zertifiziert sein, bevor man sie installieren darf. Solche Reglementierung hemmen die Arbeit von Projekte, die sich freier Software widmen und beschränken die Nutzer in ihrer Entscheidung, welche Software sie in einem Produkt verwenden möchten. Mein Eindruck ist, dass die Lizenzen den freie Umgang mit Software und Hardware, vom 3D-Druck bis zum Programmieren, bedrohen. Aus diesem Grund fordert der Chaos Computer Club auch ein Recht auf Basteln. Daneben müssen Haftungsbestimmungen und das Recht auf geistiges Eigentum neu gedacht werden. So sehen sich Projekte der Maker-Szene immer mehr mit Klagen in Bezug auf Patente und Geschmacksmuster konfrontiert.

 

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Constanze Kurz,

Pressesprechering Chaos Computer Club